
Angefangen hat mein Yogaweg mit klassischem Hatha Yoga, woraufhin Vinyasa und Power Vinyasa folgten. Ich praktiziere täglich und verliebte mich fix im Power Vinyasa Stil. Power Vinyasa ist ein dynamischer, kraftvoller und fließender Yogastil mit Schwerpunkt auf Aktivierung und Stärkung der Coremuskulatur. Dabei werden Grundasanas mit Einfluss von kreativen Bewegungselementen und Abweichungen des traditionellen Standards geübt. Dieser Stil ist abwechslungsreich und jede Praxis gleicht rein körperlich nicht der vorherigen. Ich mag diesen Stil sehr, denn erschafft mir den Raum zum Beobachten und Erforschen meines Seins, gleichzeitig powert er meinen Körper auf bewussten und achtsamen Weg aus.
Kurzer Einblick zu Ashtanga Yoga
In der nun sehr umfangreichen Yogawelt lernte ich schnell auch Ashtanga kennen. Ashtanga ist ebenfalls sehr dynamisch, aber im Vergleich zum Vinyasa bzw. Power Vinyasa doch eher statisch. Ein besonderes Merkmal im Ashtanga sind festgelegte Übungsreihen, die man fast täglich (6x die Woche und bis auf Mondtage) praktiziert. So praktiziert der Lernende jeden Tag die gleichen Übungen/ Asanas in der gleichen Reihenfolge mit derselben Atemzuganzahl. Ashtanga gilt daher schon als sehr strenger Yogastil, da sehr vieles einzuhalten gilt. Neben der korrekten Ausführung von Asanas, beachtet man hierbei auch den Drishti (Fokuspunkt der Augen), hinzu kommt eine korrekte Atmung mit Beachtung der Aktivierung von Bandhas (Verschlüsse), sowie auch die Anzahl der Atemzüge. Eine weitere Besonderheit des Ashtanga Yogas sind die Opening und Closing Mantren. So startet man die Praxis mit dem Ashtanga Mantra und beendet es mit einem Mantra. Alles in einem gibt es diesem Yogastil einen sehr traditionsverhafteten magischen Touch, welcher interessant und fordernd für mich wirkte.
Die ersten Stunden als Ashtangaschüler, wenn man zuvor Power Vinyasa praktizierte, kamen mir extrem statisch und weniger verspielt und natürlich vor. Der beflügelnde Vibe des Power Vinyasa fehlte mir stark. Trotzdem wollte ich wissen, was viele andere Yogis vom Ashtanga angeblich erfuhren und somit lieben lernten. Kurzerhand gewann wieder einmal meine Neugierde und ich nahm mir vor die Mantren und Übungssequenzen zu erlernen.
Was mich begeisterte am Ashtanga
Nun zuallererst reizte mich der sportliche athletische Charakter, welcher Ashtanga mit sich bringt. Viele Elemente sind sehr kraftvoll und turnerisch. Daher war die physische Komponente bei mir ausschlaggebend für meinen Start. Darüber hinaus interessiere ich mich intensiv für die Yogaphilosophie und für Spiritualität. Im Gegenzug zum Power Vinyasa ist Ashtanga wesentlich spiritueller ausgelegt und bleibt trotzdem stark körperlich anspruchsvoll.
Ashtanga übt auf den Geist eine besondere Disziplin aus. Durch das tägliche Üben, der immer gleichen Übungssequenz erreicht man einen routinierten Zustand, der einer bewegten Meditation gleicht. Ohne Nachzudenken oder auszuruhen wird immer und immer wieder die gleiche Abfolge von Asanas geübt. Die Ich betrat morgens meine Matte und übte ohne viel zu Denken. Die Abfolge ging nach einigen Sessions in mein Blut über und es entwickelte sich eine Routine, die mir Halt gab. Schon meist zu Beginn der Praxis, welche immer mit der Rezitation des Eröffnungs-Mantras startet, schaltete mein Geist in die Meditation ab. Das war ein Punkt, der mich enorm begeisterte. Das Rezitieren der Mantren öffnet und schließt den Raum der spirituellen Praxis. Die Ashtanga Mantren sind sehr effektiv und kraftvoll, um Hingabe, Dankbarkeit und Ehrgefühl zu kultivieren.
Hinzu kam dieser bekannte Ashtanga Vibe, welcher von einer großen Community verbreitet wird. Das Pilgern zu der indischen Stadt Mysore ist quasi für jeden Ashtangi ein Punkt auf seiner Agenda.
Und hier kommt ein weiterer Unterschied zum herkömmlichen Yoga. Der Mysorestil ist eine Art und Weise der Unterrichtsmethodik vom Ashtanga. Die Schüler praktizieren für sich, in ihrem Tempo und nach ihren Maßstäben ohne, wie gewöhnlich, einer festen Führung des Lehrers. Bei dem Mysorestil ist es so ähnlich, wie im Gym: jeder macht sein Trainingsprogramm, jeder für sich und doch zusammen. Eine gewöhnliche Yogastunde in anderen Stilen schaut da ganz anders aus: Der Lehrende führt die Lernenden durch eine frei gestaltete Yogaklasse. Das Tempo wird vorgelegt und der Raum für eigenständige Entwicklung ist verschmälert, aufgrund der Ansagen und Themen des Lehrenden.
Hingegen im Ashtangashala unterstützt lediglich der Yogalehrer nur die Schüler beim Ausrichten der Asanas. Dieser Mysore Stil schenkt einem Raum zum selbstständigen Üben und man könnte meinen, dass dieser Stil einen mehr bei seiner individuellen spirituellen Entfaltung unterstützt.
Ashtanga war daher während Corona seit über 2,5 Jahren mein alltäglicher Begleiter. Doch ich quittierte meine Ashtanga Praxis aus unterschiedlichen Gründen:
Gründe, weshalb ich Ashtanga quittierte
Ein Aspekt, welchen ich zu Beginn meiner Ashtangapraxis bereits mehr als störend empfand, war die statische und militärische Herangehensweise bzw. der Bewegungssequenzen.
Verspielte, kraftvolle, kreative und fließende Elemente fehlen. Es kam mir nicht natürlich vor. Irgendwann bzw. sehr schnell wurde es für den Körper und Geist langweilig.
Ein körperliches Plateau wurde schnell erreicht und ich rutschte in eine Stagnation, in welcher ich schwer herauskam, da sich eine festverbissene Routine durch die Praxis einschlich. Alternativen von Bewegung oder Varianten wurden von meinem Geist schnell abgelehnt und als störend bewertet. „Ashtanga war das eine und es gab nichts anderes!“
Ein weiterer Punkt war der hohe Verschleiß meiner Gelenke. Ashtanga wird viel auf Händen geübt, viele Sprünge und dynamische Bewegungen führten zu einer Ermüdungsfraktur meines rechten Handgelenks. Achtsamkeit in Bewegung war es dann wohl eher nicht, vielleicht wollte ich zu viel und überging meine physischen Grenzen.
Darüberhinaus veränderte sich mein Körperbild. Ich verlor an Definition und Grazilität, welche ich beim Power Vinyasa gewann. Dahingegen wurde mein Körper zwar stark vom Ashtanga, doch eher weicher und ich gewann an unterem Bauchfett.
Mein Geist war nach jeder Praxis schnell und beinahe schon unruhig. Ich war zwar lebendig, doch nicht erruht. Es fiel mir sehr schwer meine Konzentration auf eine Sache zu lenken. Hingegen zum Power Vinyasa war ich stets danach mehr in meiner Seelenruhe.
Durch das regelmäßige Praktizieren des Ashtanga entwickelte sich nicht nur eine körperliche Routine, sondern es entwickelten sich auch ungesunde Routinen meiner Denk- und Handelsweisen im Alltag. Ich war gefangen in einem Hamsterrad und doch startete ich täglich immer mit meiner Praxis, weil es ja gut sein muss und jeder Ashtangi es so machte. Erst als ich Ashtanga ablegte, verschwanden wie von selbst diese ungesunden Gedanken und Handlungen im Alltag.
Ich stellte für mich fest, dass es nicht mein Yogastil ist, der zu mir passt. Aus Erfahrung lernte ich dazu und bin weiterhin am kultivieren meiner eigenen Yogapraxis. Momentan praktiziere ich einen Mix aus Ashtanga und Power Vinyasa am Morgen und am Abend Yin Yoga.
Mein Fazit und Vergleich zu Power Vinyasa Yoga
Beide Stile sind sehr körperlich anstrengend. Unterscheiden tun sie sich enorm. Währed man beim Power Vinyasa sich Zeit lässt zum Ankommen auf seiner Matte, legt man beim Ashtanga bereits los mit dynamischen Sonnengrüßen. Während beim Power Vinyasa mehr Coreübungen und Pilateselemente erscheinen, die ein definiertes Körperbild kreieren, werden stark eingeschränkt isolierte Übungen für den Core beim Ashtanga geübt. Ashtanga ist vom Stil her älter und das wird einem bereits beim Praktizieren bewusst. Die Übungen werden statisch und irgendwie steif ausgeführt. Man übt immer und immer wieder, Tag ein, Tag aus die selbe Übungsabfolge im gleichen Stil. Dagegen schenkt Power Vinyasa mehr Entfaltungsraum zum kreativen Erstellen von Klassen, welche somit enorm viel Spaß erzeugen, wohingegen man beim Ashtanga bereits vorher schon weiß, was auf einen zu kommt und dieses einen hohen meditativen Benefit für die Praxis erzeugt.
Beide Stile sind sehr körperlich, wohingegen Ashtanga mehr Disziplin des Geistes schult (meiner Meinung nach), jedoch sehr wenig Raum für die Individualität der Persönlichkeit und Entfaltung von Kreativität in der Praxis legt.
Aus Zwanghaftigkeit hin zur Verspieltheit und Freude
Mittlerweile kultiviere ich eine Praxis, die auf meine Bedürfnisse täglich angepasst ist. Einzelne Elemente praktiziere ich täglich, da sie mir viel geben oder ich in jenen sicherer werden mag. Ich praktiziere mit der Intention, eine Balance für mein System wiederherzustellen und lege den Fokus auf Freude. Da ich Musik über alles liebe und diese mich im Guten beeinflusst übe ich auch wieder mit Musik. Das, woraus ich meinen größten Vorteil herausziehe praktiziere ich nun.